Hallo! Du bist auf dem ersten Eintrag meines Blogs gelandet. Ich dachte mir es ist vielleicht ganz sinnvoll zu Anfang mich selbst und die Idee dieses Blogs kurz vorzustellen.
Ich bin Tobi, aktuell 26 Jahre alt und habe vor kurzem mein Informatik-Studium abgeschlossen. Mein bisheriges Leben ist sehr geradlinig verlaufen. Nachdem ich die Grundschule abschloss, bewarb ich mich bei genau einem Gymnasium und machte dort mein Abi. Im Anschluss bewarb ich mich an genau einer Uni und machte dort meinen Bachelor und dann meinen Master. Als ich mein Master-Studium begann, bewarb ich mich für genau einen Job und arbeitete von da an neben dem Studium in dieser Firma. Die logischen nächsten Schritte wären jetzt wohl eine Vollzeitanstellung zu suchen, meine Karriere voranzubringen, vielleicht irgendwann eine Familie zu gründen und ein Haus zu kaufen oder zu bauen. Aber aus verschiedenen Gründen erscheint es mir gegenwärtig nicht sehr wahrscheinlich, dass ich mein weiteres Leben mit der gleichen Geradlinigkeit, dem gesellschaftlichen Skript folgend, weiterführen werde. Für mich war klar, dass mit der Abgabe meiner Abschlussarbeit ein neues Kapitel beginnen würde. Ein Kapitel, das davon bestimmt sein wird mehr zu experimentieren und mein Leben aktiv daran auszurichten was mir als richtig und wichtig erscheint.
Vor zwei Wochen habe ich das WG-Zimmer in meiner Studienstadt Aachen aufgelöst und plane nun zwei Monate lang durch Deutschland zu reisen und verschiedene Gemeinschaften und Wohnprojekte zu besuchen in denen Alternativen zum konventionellen Leben ausprobiert werden. Es gibt verschiedene Faktoren, die dazu geführt haben, dass ich nun an diesem Punkt stehe. Beginnen wir mit dem signifikantesten.
Im Rahmen des Klimaaktivismus habe ich mich in den letzten Jahren politisiert. Auch davor hatte ich schon eine politische Einstellung, konnte mich beispielsweise sehr mit dem Programm der Piratenpartei identifizieren, als diese in den frühen 10er-Jahren politisch noch eine Rolle spielten. Mein Selbstverständnis als politisches Subjekt ging aber niemals darüber hinaus wählen zu gehen und ab und zu mal mit Menschen über politische Fragen zu diskutieren. Das änderte sich erst 2018/2019. Im Oktober 2018 war ich auf einer Großdemo gegen Braunkohle am Hambacher Forst - meine erste Klima-Demo. So richtig begann mein Engagement in diesem Bereich allerdings erst im April 2019, als ich online auf die Bewegung Extinction Rebellion stieß und sich wenige Tage später die Ortsgruppe in Aachen gründete. Seitdem habe ich an einigen Aktionen teilgenommen, vor allem von XR, aber auch von anderen Bündnissen. Widerstand in Form von Zivilem Ungehorsam erschien mir im Angesicht der existenziellen Krise, welche Menschen und Ökosysteme bedroht, als das wirksamste und angemessenste Mittel. Auf dem Höhepunkt der Bewegung besetzten wir im Oktober 2019 tageland mit tausenden Menschen zentrale Plätze in Berlin. Die Idee einer Bewegung, die immer weiter wachsen und so einen immer größeren politischen Druck erzeugen würde, erschien denkbar. Doch dazu kam es nicht. Dummes Gerede von einem der Gründer, interne Konflikte und geringes Wachstum setzten der Bewegung zu. Und dann kam 2020 die Pandemie.
Die Corona-Pandemie machte 2020 zunächst Massenaktionen unmöglich. Und auch nachdem diese wieder möglich waren erreichten sie nicht mehr die Größe und Aufmerksamkeit wie vor Corona. Abgesehen davon bedeutete die Pandemie für mich persönlich, anders als für viele andere, keinen großen Leidensdruck. Ich habe nie darunter gelitten viel Zeit zu Hause vor meine PC zu verbringen und komme gut damit klar das Haus nur alle paar Tage mal zum Einkaufen zu verlassen. Durch das Leben in einer WG konnte ich ein Minimum an persönlichem menschlichen Kontakt halten ohne mich mit anderen eingepfercht zu fühlen. Das Studium ließ sich gut von zu Hause erledigen und war dadurch, dass ich nur noch wenige Vorlesungen zu belegen hatte auch nicht anstrengend. Eine signifikante Veränderung, die auch jetzt noch relevant ist, ist dagegen die Trennung der Arbeit von einem festen Ort. Während es vor der Pandemie die absolute Ausnahme war von zu Hause aus zu arbeiten ist dies nun die neue Normalität, zumindest für mich als Entwickler. Dadurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten und Lebensmodelle.
Der dritte Faktor, welcher auf indirekte Weise meine Entscheidung diese Reise anzutreten beeinflusst hat, ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dieser hatte steigende Energiepreise zur Folge welche wiederum die Bundesregierung dazu veranlasst haben ein vergünstigtes Ticket für den ÖPNV zu beschließen - das Neun-Euro-Ticket, das in ganz Deutschland im Regionalverkehr gültig ist. Die Möglichkeit in den Sommermonaten günstig durch Deutschland reisen zu können, erschien mir als eine sehr attraktive Gelegenheit.
Mein Ziel ist jedoch nicht bloß zu reisen, interessante Orte zu sehen und eine gute Zeit zu haben. Ich sehe es als ein Experiment zu der Frage wie ich in Zukunft leben möchte. Mir ist klar geworden, dass mein politisches Engagement etwas ist, dass ich nicht einfach aufgeben kann und möchte. Gleichzeitig habe ich gesehen wie schwierig es für Menschen ist sich im geschäftigen Alltag mit Arbeit, Kindern und sonstigen Verpflichtungen dauerhaft politisch zu engagieren. Daher denke ich um wirklich nachhaltig wirksam zu sein muss mein Leben auf eine Weise organisiert sein, die dies unterstützt. Mein Engagement sollte mir nicht dauerhaft mehr Energie entziehen als es mir gibt. Viele Aktivistis* arbeiten sich geradewegs in den Burnout. Das ist nicht nachhaltig. Der zweite Aspekt der mir wichtig erscheint ist Wirksamkeit. Um nachhaltig wirksam zu sein ist es notwendig das was wir tun kritisch zu evaluieren und bereit zu sein unsere Vorgehensweise zu ändern, sollte diese nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Wir müssen beim Grundlegenden beginnen, bereit sein uns unbequemen Fragen zu stellen und offen sein alles neu zu denken, auch die Art und Weise wie wir Aktivismus betreiben. Ich werde zu diesem Thema sicherlich noch etwas schreiben, das Fazit kann ich aber schon jetzt geben: Ich persönlich finde es mittlerweile weder motivierend noch halte ich es für sehr wirksam einen Aktivismus zu betreiben, in dem ich in der Position des Bittstellers auftrete und gewissermaßen versuche die Politik dazu zu bringen ihre eigenen Versprechen einzuhalten. Viel motivierender finde ich die Idee selbst und mit anderen, im Kleinen etwas aufzubauen - Orte, Strukturen und Netzwerke zu schaffen, die die Utopie erlebbar machen und das Potenzial haben die Keimformen einer post-kapitalistischen Gesellschaft zu sein.
Meine Reise soll daher auch eine Suche nach diesen Keimformen sein und nach den Menschen, die wie ich der Meinung sind, das wir heute damit anfangen müssen Alternativen zum Status Quo aufzubauen und dass weder die Politik noch irgendwelche Tech-Milliardäre unsere Rettung sein werden. Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die die Situation nicht verleugnen; die sich bewusst sind, dass die Stabilität unserer Gesellschaft nicht garantiert ist; die wie ich daran glauben dass wir Netzwerke von Gemeinschaft und Solidarität brauchen, um eine Chance zu haben die Probleme auf die wir zusteuern irgendwie bewältigen zu können; die sich für eine offene Gesellschaft einsetzen und entschlossen sind sich allen Formen von Autoritarismus und Faschismus entgegenzustellen. Wenn man aktuell in die Nachrichten schaut oder wissenschaftliche Studien über den Zustand unseres Planeten liest, gibt es wenig Anlass optimistisch in die Zukunft zu schauen. Und doch gibt es so viele Menschen, die noch nicht resigniert haben, sondern die sich leidenschaftlich für eine lebenswerte Zukunft einsetzen. Das sind die Menschen, die mich inspirieren.
Wieso schreibe ich das alles auf? Interessiert das irgendwen? Keine Ahnung. Ein paar Menschen, denen ich von meinen Reiseplänen erzählt hatte, fragten mich ob ich vielleicht einen Blog oder ein anderes Medium habe, über das ich von meiner Reise berichte. Ich dachte mir das ist vielleicht gar keine so schlechte Idee. Ich schreibe gerne, vor allem für mich selbst. Auf diese Weise kann ich Erlebtes besser festhalten und durch das Schreiben kann ich auch mehr Klarheit darüber gewinnen was ich eigentlich denke. Wenn meine Gedanken auch noch für andere interessant sind, ist das ein netter Bonus.
Tatsächlich ist es so, dass ich schon länger Interesse an der Idee einer persönlichen Webseite habe. Dieses Interesse rührt grob gesagt daher, dass ich auf verschiedene Online-Communities gestoßen bin, die sich mit Themen wie Kollaboration, Selbstorganisation, dem Organisieren und Teilen von Wissen und Gemeinschaftsbildung im Digitalen auseinandersetzen und sich in diesem Zusammenhang Gedanken darüber machen wie ein besseres Web aussehen könnte, das nicht von großen Plattformen dominiert wird. In meiner Vision dieses besseren Webs haben die einzelnen Nutzis* ein viel höheres Maß an Autonomie. Eine eigene Webseite zu haben ist ein Schritt in diese Richtung. Falls dieser Blog über meine Reise hinaus weiterleben wird, dann werde ich sicher irgendwann mehr zu diesen Themen schreiben. Nun ist es aber erst mal genug. Freut mich, dass du bis hierher gelesen hast. Ich vermute, dass die nächsten Einträge etwas kürzer werden. Falls du Gedanken und Anregungen hast, zu irgendetwas das ich geschrieben habe, dann teile sie mir gerne mit!
*Ich habe angefangen in meinen Texten zu entgendern. In diesem Video wird das Konzept erklärt (ich verwende nur “i” statt “y”).